Warnung vor Biobrennstoff
Wasser und Essen wichtiger



Kronprinz Willem-Alexander: „Sie sind gut für unseren westlichen Lebensstil, aber bestimmt nicht nötig für das Überleben der Menschheit“.

STOCKHOLM.

Von Kronprinz Willem-Alexander aus den Niederlanden über den Schweizer Lebensmittelkonzern Nestle bis hin zu Bauern aus Entwicklungsländern warnen Experten vor neuen Umweltbelastungen durch Biobrennstoffe.

„Wer glaubt, dass diese Treibstoffe die Problemlösungen nach dem Öl bringen, täuscht sich gewaltig. Ihr Anbau in der Landwirtschaft schafft aber massive neue Probleme“ meinte auch der schwedische Wissenschaftler Jan Lundqvist auf der Stockholmer Weltwasserwoche.

Lundqvist, Präsident der Weltwasserwoche, und das Forschungsinstitut SIWI rechneten vor, dass sich der jährliche Wasserbedarf von 11.000 Kubikkilometern bis 2045 verdoppeln wird, wenn große „Energieschlucker“ wie die USA und die EU-Länder an ihren Ausbauplänen für mehr Ethanol und andere Biotreibstoffe aus der Landwirtschaft festhalten.

Einer der Haken: Aus Seen und Flüssen auf dem blauen Planeten stehen pro Jahr nur 14.000 Kubikkilometer Wasser zur Verfügung.

Der niederländische Thronfolger Willem-Alexander war als Chefberater des UN-Generalsekretärs für Wasserfragen nach Schweden gekommen.

Auch er hatte nicht viel übrig für die von der Autoindustrie und zuletzt von US-Präsident George W. Bush verbreitete Begeisterung für „Biofuels“: „Sie sind gut für unseren westlichen Lebensstil, aber bestimmt nicht nötig für das Überleben der Menschheit. Das sind Nahrungsmittel“, sagte Willem-Alexander der heimischen Zeitung „Telegaars“.

Auch Vertreter des Lebensmittel-Multis Nestle` monierten in Stockholm, dass die zunehmende Vereinnahmung von landwirtschaftlichen Anbauflächen für den Antrieb von Autos die Weltweite Versorgung mit Nahrungsmittel zwangsläufig verschlechtere.

SIWI hatte diese Kritik mit einem einprägsamen Beispiel illustriert:

Wolle man ÖL ganz durch Biotreibstoff ersetzen, müsste man ganz Australien zum Pflanzen nutzen.

Die vorerst noch viel bescheideneren Ziele der EU (zehn Prozent Anteil bei Autotreibstoffen bis 2020) und der Vereinigten Staaten von Amerika zeigen schon massive Auswirkungen.

In Mexiko kam es 2006 zu Massendemonstrationen armer Menschen, weil die Preise für das Grundnahrungsmittel Tortilla durch die starke Ethanolnachfrage aus den Vereinigten Staaten auf das Doppelte geklettert waren.

Lundqvist nannte Brasilien, den größten Ethanol-Produzenten der Welt, ein „abschreckendes Beispiel für soziale Auswirkungen“. Hier seien zahllose Kleinbauern vertrieben worden und zusätzlich verarmt, weil finanzstarke Großunternehmen für das lukrative Geschäft mit den Biobrennstoffen gigantische Anbauflächen vereinnahmt hätten.

„Völlig verrückt“ findet Lundqvist auch den naiven Glauben daran, dass Biobrennstoffe die Lösung für die von herkömmlichem Benzin mitverursachten CO2-Emissionen seien: „Zum Teil erfordert ihre Produktion ja so viel fossile Energie, dass das kaum Verbesserungen bringt.“

Man habe in Stockholm aber auch ermutigende Beispiele gehört, meinte der Präsident der Weltwasserwoche.

Indiens Regierung will 13 Millionen Hektar sonst kaum nutzbare Ödflächen und Brachland gezielt an Arme und Kleinbauern vergeben, die hier Biobrennstoffe für den heimischen Bedarf anbauen sollen.

 

Quelle:
Recklinghäuser Zeitung vom 17.08.2007
Thomas Borchert (DPA)

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